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FAQ

IM  GESPRÄCH

Mit dem OIKOS-Vorstand und der Geschäftsstelle

Zwei Millenniumsziele sind bereits 2012 vorfristig erfüllt: Armutshalbierung und für mehr Menschen Zugang zu sauberem Wasser. OIKOS stellt sich die Frage, ob Jubel auch für Afrika angebracht ist.

Nein, gerade OIKOS mit seinen Projekten in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft zeigt, dass mit der richtigen Kombination von Eigenanstrengungen und Hilfe von außen die besonders von Hungerrisiken betroffenen ländlichen Bevölkerungen in Afrika einen Weg zu gesicherter Ernährung finden können. Das lässt sich in den Dörfern zeigen, die wir in den letzten Projekten gefördert haben. Dort ist der Hunger weitgehend verschwunden, die Bauern haben erstmals Geldeinkommen und nehmen so am nationalen Markt teil. Als wir in den 80er Jahren in Angola waren, gab es in den Dörfern keine Motorräder. Wenn wir heute Fotos von Dorfversammlungen sehen, ist alles voll davon – diese Bauern verdienen Geld mit der Landwirtschaft, die OIKOS mit gefördert hat. Marktkulturen wie Gemüse, Kartoffeln, Obst und auch Kaffee haben in Angola eine gute Zukunft, auch für Kleinbauern.

Wenn heute Hilfsorganisationen mit einem Schwerpunkt auf humanitärer Hilfe aus Angola abziehen und "mission accomplished" melden, ist dies an sich kein schlechtes Zeichen. Der Krieg ist wirklich und hoffentlich dauerhaft vorbei, mit vielen tagtäglichen und für jedermann sichtbaren Friedensdividenden. Aber es bedeutet nicht, dass es in dem Land nicht ernsthafte Entwicklungsprobleme geben würde. Armut ist noch allenthalben greifbar, besonders auf dem Lande. Wir dürfen uns von dem plötzlichen Wechsel mancher Medienperspektive nicht täuschen lassen: weder war Angola vor 2002 allein und überall vom Bürgerkrieg geprägt, landwirtschaftliche Projekte demzufolge gar nicht möglich, noch ist es seitdem ein reines Erdölboomland, in dem die Regierung genug Mittel hätte, um alle Folgen des Bürgerkrieges aus eigener Kraft zu beheben. Zu tun bleibt daher für uns als Nichtregierungsorganisation in der Entwicklungszusammenarbeit genug. Die Möglichkeiten und Felder nehmen sogar zu, da immer mehr Menschen in Angola den Schritt zur eigenen Initiative wagen.

Zum Beispiel auf die Berufsausbildung. Das Land importiert alles Mögliche, manchmal das Neueste vom Neuen, und wer baut, montiert, wartet das alles? Viele Arbeitskräfte werden gleich mitimportiert, aus China, Portugal, selbst aus Israel – für die Bewässerungen und Telefonsysteme. Das ist ein großes Problem, viele Angolaner fühlen sich überflüssig gemacht. Eine ganze Generation von Jugendlichen aus dem Krieg hat so gut wie keine Berufsausbildung. Da wir in sehr entlegenen ländlichen Gebieten wie Cunene oder Bié arbeiten, sehen wir hier den großen Bedarf, denn diese Jugendlichen können nicht einfach in die Städte gehen, wo die Regierung einige Anstrengungen unternimmt. Gerade die Mädchen und jungen Frauen auf dem Land brauchen Berufsausbildung ganz in der Nähe. Aber auch die kleinbäuerliche Landwirtschaft steht vor neuen Perspektiven: durch den Devisenmangel ist der Import von Lebensmitteln vielfach einfach zu teuer geworden – darin liegen große Chancen für die kleinbäuerliche Familienproduktion, die wir weiter fördern wollen.


Wir sind eine Nichtregierungsorganisation, die weder für noch gegen eine bestimmte Regierung arbeitet. Uns ist es wichtig, durch unsere Arbeit die benachteiligten Bevölkerungen zu stärken, und zwar, in einem ehemaligen Bürgerkriegsland wie Angola, auf beiden Seiten des bisherigen Konflikts. Wir sind der Meinung, dass eine mündige Zivilgesellschaft dann besser entstehen kann, wenn die Menschen ihre dringendsten Bedürfnisse nach Nahrung, Wasser, Einkommen, nach Bildung und Gesundheit erfüllen können. Und dass Klüfte in der Gesellschaft, zwischen ehemaligen Bürgerkriegsgegnern zumal, dann besser überwunden werden, wenn zwischen den Gruppen und Gebieten wirtschaftliche Verflechtungen entstehen, von denen beide Seiten profitieren. Darauf zielen wir mit unseren Projekten ab.


Fortschritt in Schwellenländern bedeutet keineswegs, dass in den "vergessenen Regionen", besonders in Afrika, die Entwicklungszusammenarbeit überflüssig ist. In Angola z. B. wurde das MDG 1-Ziel klar verfehlt! Warum wurde es hier nicht erreicht? Wir sehen, dass die Armut dort am größten ist, wo ganze ländliche Regionen vom Binnenmarkt abgekoppelt bleiben, die Menschen nur in bäuerlicher Substistenzwirtschaft leben. Wir arbeiten vor allem in genau solchen Gebieten. Hier steht nicht die Frage "Markt" oder Projekt. OIKOS-Projekte zielen eben nicht auf "Versorgung" von verlorenen Gruppen, sondern auf Schaffung von Wachstumskeimen für ganze Regionen, auf Einbeziehung von "abgekoppelten" Gruppen in die Marktwirtschaft, auf Marktertüchtigung. 

Es gibt in der Tat die Meinung, cash crops wären schlecht für Kleinbauern, weil sie Marktabhängigkeit schaffen. Aber bei jedem Besuch in Angola finden wir mehr Belege dafür, wie global die Welt selbst im abgelegensten Bergtal in Cassongue ist. Die Vorstellung, eine ganze soziale Gruppe eines Kontinents wie Afrika könne sich autark machen, ist nicht mehr zeitgemäß. Für diese Gruppe, die Kleinbauern, zählt Vielfalt als Stärke, Vielfalt gerade auch bei dem, was sie anbauen. Nicht viele Standorte auf der Welt eignen sich für Kaffee. Und Kaffee ist ein hochwertiges, leicht handelbares Produkt, dessen Nachfrage seit vielen Jahrzehnten stabil steigt. Dieser Kaffee wird immer seine Käufer finden. Ein Bauer in Caluquembe führte uns in sein Lager. Dort standen 8 Sack Mais und 1 Sack Kaffee. Er sagte: "Früher, in der Kolonialzeit war es so, dass 1 Sack Kaffee 8 Sack Mais entsprach." Er konnte mit diesem Verhältnis gut leben, denn er gehörte zu denen, die ein kleines Kaffeefeld haben durften. Das brachte ihm 3 Sack Kaffee. Damit konnte er genug Mais eintauschen, um die Familie gut zu ernähren.